Viel mehr als reine Geschmackssache

Psychisch kranke Bürger fürchten den drohenden Abschied der Leiterinnen ihres Kochprojekts

Bärbel Behrendt und Edeltraud Egel kochen für die Bewohner der Gemeindenahen Psychiatrie. In einem Monat müssen die Ein-Euro-Jobberinnen raus – gegen den Willen der Beteiligten.

Ihr bescheidenes Lächeln strahlt Gutmütigkeit aus, doch sie haben Tränen in den Augen. Bärbel Behrendt (58) und Edeltraud Egel (59) stehen kurz vor dem Verlust ihrer überaus lieb gewonnenen Arbeit.

Die beiden Frauen arbeiten in der Gemeindenahen Psychiatrie auf „Ein-Euro-Job“-Basis, also in so genannten MAEs. Sie leiten das Projekt „Kochen“ für die Bewohner der Wohnstätte für chronisch psychisch kranke Menschen. Das Problem ist: Die Frauenmüssen in einem Monat ihren Arbeitsplatz als MAE-Kräfte räumen. Das JobcenterBrandenburg wird den Vertrag nicht verlängern, fürchten Behrendt und Egel.

Diesen Schnitt halten weder die Köchinnen noch die Heimleiterin für vernünftig. „Wir wollen arbeiten und dürfen es nicht“, wiederholen die gelernten Verkäuferinnen immer wieder.

„Die Bewohner wollen sogar Unterschriften sammeln, nur, damit wir im Heim bleiben“, erzählt Edeltraud Egel wehmütig. „Sie haben uns in ihr Herz geschlossen“, fügt Bärbel Behrendt hinzu. Während sie reden, blicken die Frauen immer wieder zu den Kochtöpfen, in denen das Wasser brodelt. In der blitzeblanken Küche besprechen sie seit 2009 mit den acht bis 14 Bewohnern den Speiseplan, bereiten die Mahlzeiten zu und lassen sich das Essen schmecken. Die gestandenen Hausfrauen achten darauf, dass es gesund ist: Fisch, Obstsalat und Rohkostsalat stehen mindestens einmal pro Woche auf dem Speiseplan.

„Heute gibt es Steak, Kartoffeln und Champignons“, erinnert Behrendt die Bewohner und animiert sie zugleich zum Mitmachen. Gert Richter erklärt sich bereit, Kartoffeln zu schälen. Später wird der 47 Jahre alte Bewohner davon schwärmen, wie lecker das Mittagessen war. Seine Tischnachbarn werden zustimmend nicken.

Das Projekt „Kochen“, das Behrendt und Egel seit dem vergangenen Jahr leiten, kann offenbar nicht nur das Sättigungsgefühl der Bewohner befriedigen. Auch das familiäre Gefühl, gemocht und gebraucht zu werden, scheint das Frauenduo unter den seelisch labilen Patienten der Anstalt zu verbreiten. „Wir sind wie eine große Familie“, sagt Gert Richter. Andere Bewohner stimmen ihm zu.

Das Vertrauen der Betreuer des Wohnheims gewannen Behrendt und Egel ebenfalls. Heimleiterin Jutta Goldstein äußert sich zufrieden: „Ohne die beiden Frauen würde das zusätzliche Angebot Kochen nicht existieren.“

Die Chefin der Wohnstätte weiß um die Bedeutung der Arbeit. Die Bewohner werden sinnvoll beschäftigt, sie lernen lecker zu kochen und gesund zu speisen. Das bedeute auf lange Sicht, dass ihr Selbstwertgefühl und ihre Lebenslust steigen.

Sollten Bärbel Behrendt und Edeltraud Egel ihren Job verlieren, so sei das für alle Beteiligten eine „Niveauabsenkung“, klagt die Heimleiterin. „Dann müssen wir wieder Essen auf Rädern bestellen.“

Das Arbeitsamt kennt das generelle Problem, in dem Ein-Euro-Jobber stecken. Der Geschäftsführer des Jobcenters der Stadt Brandenburg Marcel Rößler erklärt, die Mittel für MAE-Projekte seien für das Jahr 2011 „erheblich gekürzt“ worden.

Aufgrund der Mittelreduzierung des Bundes sei das Arbeitsamt gezwungen, Ein-Euro-Jobs in diesem Jahr zu streichen. Das Jobcenter sehe für das Jahr 2011 vor, die Zahl der Stellen von derzeit 1500 auf 700 zu senken.

Rößler versichert zugleich: „Wenn die Frauen sehr motiviert sind, haben wir diverse Angebote.“ Auch und besonders für die Bevölkerung im höheren Alter, sagt der Chef des Brandenburger Jobcenters. „Wir wollen doch ältere Menschen fördern“, sagt er.

Dmitri Steiz, Viel mehr als reine Geschmackssache. Psychisch kranke Bürger fürchten den drohenden Abschied der Leiterinnen ihres Kochprojekts, in: Märkische Allgemeine. Zeitung für das Land Brandenburg, Brandenburger Stadtkurier, 27. Januar 2011, S. 16.