Auf die Walz nach Frankreich

Junge Arbeitslose gehen für drei Monate ins Ausland, um berufliche Erfahrungen zu sammeln

Am Anfang reagierte die Angst, dann kam der Schock. Am Ende sagt sie: „Ich würde es noch einmal machen.“ Franziska Fritsche (22) nahm an dem Arbeitslosenprojekt „Barumwalz“ teil und erlebte ein Wechselbad der Gefühle.

Das Programm beruht darauf, dass junge Menschen, die zwischen 18 und 30 Jahren alt sind und keine Arbeit haben, ins Ausland gehen, auf die Walz, wie die Wanderschaft von Handwerksgesellen im Mittelalter hieß. So wanderten bisher 26 Havelstädter nach Frankreich, um berufliche und kulturelle Erfahrungen zu sammeln. Die letzten von ihnen kamen am vergangenen Sonntag zurück.

„Barumwalz“ ist ein Projekt dreier Bildungsträger des Landes Brandenburg. Beteiligt ist unter anderem das VHS-Bildungswerk. Bezahlt wird es von Bund, Jobcenter Brandenburg und Caritasverband.

Franziska Fritsche durfte vor einem halben Jahr die französische Luft schnuppern. „Erst wollte ich nicht fahren“, erinnert sich die Brandenburgerin. „Ich hatte Angst.“ Anderes Land, fremde Menschen, keine Französisch-Kenntnisse, all das bereitete der Kauffrau für Bürokommunikation Kopfzerbrechen.

Marie Heck (27) kennt die Sorgen der Jugendlichen vor der Fahrt. Die Romanistin und Leiterin des Projekts beruhigt Zweifler: „Wir kümmern uns um alle, die mitmachen.“ Mental und finanziell. Für Hartz-IV-Empfänger würden alle Kosten übernommen, versichert Marie Heck.

Fritsche ließ sich auf das Abenteuer ein und saß nach sechs Wochen Auslandsvorbereitung im Zug nach Paris. Ihr erster Eindruck bei der Ankunft: „Ich war total geschockt.“ Das Bild der Stadt der Liebe wich – zunächst – einem Ort, der „dreckig“ und „gar nicht schön“ sei.

Überraschend schnell lebte sie sich ein, erzählt Franziska Fritsche, die mit einer zweiten Deutschen in einer Gastfamilie wohnte. Sie fand Halt bei ihrer brandenburgischen Zimmergenossin und ihrer französischen Gastgeberin. Wenn auch die Verständigung mit der Französin – einer alleinerziehenden Schauspielerin und ihrer elfjährigen Tochter – „mehr in Englisch als Französisch“ und manchmal nur mit Händen und Füßen erfolgte.

Nach einem vierwöchigen Sprachkurs in Paris machte die Havelstädterin in dem Vorort Ivry-sur-Seine, der Partnerstadt von Brandenburg, ein Praktikum im Lager eines Kaufhauses. „Ich war nicht gewohnt zu arbeiten“, verrät sie. „Das war hart. Ich habe zehn Kilo abgenommen.“ Umso angenehmer war die Freizeit. Ob Notre Dame oder Disneyland – Paris hat die Havelstädterin verzaubert.

Zurück in der Heimat blickt Franziska Fritsche mit Begeisterung auf die erlebten drei Monate im Nachbarland – und in die Zukunft: „Ich bin selbstbewusst geworden. Das tut gut“, sagt sie und fügt hinzu: „Meine Mama ist stolz auf mich.“

„Wer den Schritt wagt, der kann nur gewinnen“, sagt Projektleiterin Heck. „Mehr als die Hälfte“ der Teilnehmer habe im Anschluss an den Auslandsaufenthalt Arbeit gefunden. Fritsche gehört zwar bisher zu der anderen Hälfte, sie bleibt dennoch optimistisch.

Info: Der nächste Kurs startet am 18. Juli. Anmeldungen erbittet Marie Heck unter 0 33 81/3 06 64 10.

Dmitri Steiz, Auf die Walz nach Frankreich. Junge Arbeitslose gehen für drei Monate ins Ausland, um berufliche Erfahrungen zu sammeln, in: Märkische Allgemeine. Zeitung für das Land Brandenburg, Brandenburger Stadtkurier, 4./5. Juni 2011, S. 15.