Im Internet fällt die Hemmschwelle weg

Die Polizei zum „Cybermobbing“

In Berlin ist das Internetmobbing jetzt eskaliert. Jugendliche haben einen 17-Jährigen bewusstlos geschlagen. Wie verbreitet sind Bedrohungen über Internetforen in der Havelstadt? Mit Pressesprecher Torsten Ringel und Präventions-Expertin Karina Mollenhauer von der Brandenburger Polizei sprach Dmitri Steiz.

MAZ: Herr Ringel, was sagt das Gesetz zum „Cybermobbing“?
Ringel: „Internetmobbing“ als solches ist im Strafgesetzbuch nicht aufgeführt. Wir müssen also von Fall zu Fall prüfen, ob eine Straftat vorliegt. Hierbei kommen sogar mehrere Strafdelikte in Frage: Beleidigung, Bedrohung oder auch Körperverletzung. Denn das „digitale Mobbing“ ist zwar psychischer Natur, kann aber körperliche Beschwerden nach sich ziehen. Zum Beispiel Depressionen, Kopfschmerzen, Schlafstörungen.

Was bedeutet extremes Surfen im Internet für Kinder auf lange Sicht?
Ringel: Exzessives Chatten macht einsam. Der klassische Dialog – das Sprechen von Angesicht zu Angesicht – geht verloren. Die Kinder lernen in ihrer Freizeit nicht mehr, wie man auf die Emotionen des Gegenübers reagiert, wie man Mimik und Gestik deutet, wie man miteinander redet. Die Gefahr, dass die soziale Kompetenz der Jugendlichen auf der Strecke bleibt, ist da. Einige von ihnen werden zudem im Internet schikaniert – Stichwort „Cyber-Mobbing“ – Tendenz steigend.

Welche Jugendlichen sind besonders gefährdet? Gibt es typische Täter- und Opfer-Profile?
Ringel: Typisches Täter- oder Opferprofil gibt es nicht. Die Jugendlichen in der Pubertät sind generell für das Internet-Mobbing prädestiniert. Sie testen in dem Alter gern ihre Grenzen aus. Sehr anfällig sind die „Außenseiter“. Hier sind die Vertrauenspersonen ganz wichtig – um zu vermeiden, dass die Außenseiter nicht noch weiter in die Ecke gedrängt werden.

Wie bewerten Sie die Chancen der Polizei im Kampf gegen den Psychoterror im Netz?
Ringel: Cyber- oder Internet-Mobbing ist Neuland für uns, in das wir langsam, aber sicher vorstoßen. Unser Sachgebiet für Prävention und die Beamten des Jugendkommissariats beobachten und erforschen die Entwicklungen im Internet möglichst genau. Noch sind weite Teile der Internet-Kriminalität ein großes dunkles Feld, das viel Aufklärungsarbeit erfordert. Das ist eine Herausforderung für uns – und wir nehmen diese Herausforderung an!

Frau Mollenhauer, warum ist das „Cybermobbing“ so problematisch?
Mollenhauer: Das große Problem ist, dass die Jugendlichen durch die Anonymität, die das Internet bietet, ihre Grenzen nicht mehr wahrnehmen. Die Hemmschwelle, die der gesunde Menschenverstand sonst im direkten Gespräch erzeugt, entfällt. Einige Jungs und Mädchen denken dann nicht nach und übertreiben. In vielen Fällen merken die Jugendlichen, die böse Kommentare schreiben, überhaupt nicht, wie sehr ihre Kommentare verletzen können.

Was empfehlen Sie den jungen Menschen, die schikaniert werden, und ihren Eltern?
Mollenhauer: Die Jugendlichen sollten nur in moderierten Chats surfen. Dabei ist es sinnvoll, die persönlichen Daten, wie den eigenen Namen und Geburtstag, im Internet gar nicht erst preiszugeben. Die Eltern sollten ihre Kinder bei dem Erforschen des Internets begleiten, ihnen im Zweifelsfall die Grenzen von gut und böse aufzeigen. Besonders wichtig ist für die Erwachsenen in jedem Fall das Vertrauen der Jugendlichen zu gewinnen und sie dafür zu sensibilisieren, die Schwierigkeiten miteinander anzugehen. Die Jugendlichen sollten wissen, dass die meisten Probleme nicht über das Internet, sondern nur im direkten Gespräch gelöst werden können – wenn man sich eben in die Augen schaut.

„Cybermobbing“ in Brandenburg

Im vergangenen Jahr haben Karina Mollenhauer und ihre Kollegen 70 Informationsveranstaltungen zum Thema „Internetmobbing“ an Schulen innerhalb des Schutzbereichs Brandenburg angeboten. In der Stadt klärten die Präventionsmitarbeiter die Schüler und Lehrer des Bertolt-Brecht-Gymnasiums, der Oberschule Nord, der Frederic-Joliot-Curie- und der Wilhelm-Busch-Schule über dieses „Cybermobbing“ auf.

Tatsächlich gibt es Belege dafür, dass Kinder und Jugendliche aus Brandenburg im Internet beschimpft und bedroht werden. Die 13- bis 17-jährigen Jungen und Mädchen in der Jugendstätte „Club am Turm“ in Hohenstücken erzählten, beleidigende Kommentare im Netz seien fast die Regel (MAZ berichtete). So bekam ein 15 Jahre altes Mädchen die Drohung: „Lass dich in der Stadt nicht blicken, du Schlampe, sonst kriegst du was auf die Fresse!“

Lehrer und Sozialarbeiter äußerten sich besorgt. Die Leiterin der Nicolaischule Marina Eckhardt findet es besonders schlimm, dass manche Schüler „kollektiv“ gemobbt werden. Schulsozialarbeiter Ilja Weißleder sagt: „Cybermobbing nimmt eindeutig zu.“

Dmitri Steiz, Im Internet fällt die Hemmschwelle weg. Die Polizei zum „Cybermobbineg“ , in: Märkische Allgemeine. Zeitung für das Land Brandenburg, Brandenburg ärz 2011, S. 17. r Stadtkurier, 24. März 2011, S. 17.